Plätzchenliebe

🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸

Hattet ihr auch schon mal diese unbändige Lust auf leckere Plätzchen? Lucas Bambach verpackt eine wahre Begebenheit in einer äußerst kreativ-amüsanten True-Crime-Kurzgeschichte. Aber lest selbst:

Plätzchenliebe

Nach einer wahren Begebenheit.

Gunther kam vom Einkaufen nach Hause. Der zweite Advent stand vor der Tür und es mussten Geschenke besorgt werden. Kaum war er aus dem Auto gestiegen, befiehl ihn ein vertrauter Duft – seine Frau hatte Plätzchen gemacht. Es roch nach Mandeln, Zimtsternen und Makronen. Sein Blut geriet in Wallungen, sein Herz schlug höher und das Wasser floss ihm im Mund zusammen. Von den Düften betört, zog es ihn von der Ausfahrt die einzelnen Stufen zur Haustür hinauf. Nur noch wenige Sekunden war er von der glückseligen Befriedigung des Weihnachtsgebäcks entfernt. Er sah vor seinem inneren Auge schon seine Hände nach den Plätzchen ausstrecken, diese noch warm und frisch ergreifend, um sie dann anschließend –

„Guten Tag Herr Nachbar!“ Gunther wurde mit diesen Worten aus seiner Fantasie zurück in die Realität geholt. „Ich habe Sie schon mehrmals gerufen, aber leider haben Sie nicht reagiert.“ „Hm, ja echt? Das ist mir wohl entgangen. Ähm … also Ihnen auch einen guten Tag“, entgegnete Gunther und wollte schnellstmöglich ins Haus hinein huschen, jedoch setzte der Nachbar erneut an: „Sie wissen ja, dass wir nächste Woche in Urlaub fahren. Deshalb wollte ich fragen, ob ich Sie darum bitten dürfte, unsere Blumen zu gießen.“ „Die Blumen – ja kein Problem.“ „Wundervoll, dann würde ich Ihnen gerade einen Haustürschlüssel geben, dann…“ „Ja prima, danke! Wünsche schönen Urlaub.“ Gunther ergriff den Schlüssel, den der Nachbar soeben hervorzog und steckte ihn gedankenverloren in seine Jackentasche. Ehe der Nachbar nochmal ansetzen konnte, verschwand er geschwind im Haus und knallte die Tür ins Schloss.

Im Haus wurde Gunther von dem Geruch magisch angezogen. Wie verzaubert folgte er blind dem süßlichen Duft bis zur Küche. Dort angekommen, offenbarte sich ihm ein himmlischer Anblick: Plätzchen überall von verschiedenster Gestalt und Schönheit. Ihm wurde warm ums Herz. Alte Erinnerungen stiegen ihn ihm empor. Er erinnerte sich an eine behütete Kindheit voller Spritzgebäck, an die Makronen bei der ersten Verabredung mit seiner späteren Ehefrau und Vanillekipferl zur Geburt seiner Tochter. Er griff nach den selbstgemachten Lebkuchen, doch plötzlich durchzog ihn ein stechender Schmerz. „Finger weg!“, schrie ihn seine Frau Brünhild an, „Du weißt ganz genau, dass du keine Plätzchen essen darfst. Denn jedes Jahr ist es dieselbe Leier: Ich versuche die Plätzchen mühsam zu verstecken, aber egal wo und wie, sie bleiben dir nicht verborgen und an Heilig Abend haben wir dann kein Gebäck mehr. Deswegen habe ich dir letztes Jahr das Versprechen abgerungen vor Weihnachten keine Plätzchen zu essen. Du erinnerst dich?“ „Ah, äh, das Versprechen…genau..hm…äh…war ich das?“ „Ja Gunther. Also halte dich dran oder ich haue dir wieder mit dem Kochlöffel auf deine Finger!“ „Ist ja gut, ich halte mich dran“, gab Gunther nach und entzog sich dem liebreizenden Anblick, um nicht in Versuchung zu gelangen.

Des Nachts als im Haus Stille einkehrte und seine Frau tief schlummerte, überfielen ihn die Gedanken. Das Verlangen war zu groß, er musste die Plätzchen einfach haben! Leise stand er auf und schlich in die Küche. Keine Plätzchen. Scheinbar vertraute seine Frau dem Burgfrieden nicht so ganz und hatte das Gebäck dennoch an einen sicheren Ort versteckt. Doch nicht mit Gunther. Immerhin hatte er bisher jedes Versteck gefunden. So suchte er im Büro, unter dem Sofa, über dem Kamin und in der Werkstatt…aber ohne Erfolg. Da wurde es ihm klar: das Kinderzimmer! Vorsichtig schlich er hinein, ohne seine Tochter zu wecken, öffnete die Schranktür und fand die altvertraute Blechdose. Leise zog er sie hervor, öffnete den Deckel und sah die Objekte seiner Begierde. Ein Plätzchen nach dem anderen wanderte in seinen Mund, es war wahres Feuerwerk für seine Geschmacksknospen, ein Fest für alle Glückshormone. Plötzlich ging das Licht an. „Gunther“, schrie Brünhild ihren Mann an, „ich kann es nicht fassen. Lass die Plätzchen liegen!“ –   „Was ist denn los?“, fragte die Tochter. In einem letzten Akt der Verzweiflung stopfte sich Gunther noch schnell drei weitere Plätzchen in den Mund, ehe ihn Demut wie Reue einholte… und seine Frau ihm die Dose entriss.

Im Anschluss versteckte Brünhild die Plätzchen an einem anderen Ort. Doch diesmal wählte sie ein Versteck, dass selbst für Gunther nicht zu finden war. „Sehr merkwürdig“, befand es Gunther, doch so viel er auch suchte, die Plätzchen konnte er nicht finden…

„Hey Schatz“, sagte Brünhild, „ich soll dich von Doktor Hartmann an deinen Termin erinnern. Bei meinem heutigen Besuch hat er mich an deine letzten Versäumnisse aufmerksam gemacht.“ Gunther ging nicht gerne zum Arzt, vor allem nicht zu diesem Hartmann. Immerhin heißt es jedes Mal, er dürfe nicht so viel Süßigkeiten essen und müsse doch hier und da auf Plätzchen verzichten. Da er in diesem Jahr allerdings mehr oder weniger auf dem Trockenen saß, konnte er es wagen.

„Sehr schöne Werte, Gunther, sehr schöne Werte“, sagte Dr. Hartmann, „In diesem Jahr gab es wohl weniger Plätzchen, oder?“ „Ja, ich dachte ein bisschen Verzicht wäre eine gesunde Abwechslung“, entgegnete Gunther. „Wunderbare Einstellung Gunther, gefällt mir wirklich ausgezeichnet. Ich dachte schon, es wären die Erfolge deiner Frau, nachdem Sie die Plätzchen bei deinen Nachbarn versteckt hatte. Da war ich wirklich der Meinung, du wärst ihr hier diesmal auf den Leim gegangen. Gunther? Gunther?! Gunther wo willst du denn plötzlich hin?“ Gunther rannte aus der Praxis. Die Rufe des Arztes vernahm er schon gar nicht mehr. In seinem Kopf gab es nur noch einen Gedanken: PLÄTZCHEN!!!

Gunther stand vor dem Haus seiner Nachbarn. Tief im Inneren mussten sie also sein. Doch wie sollte er an sie rankommen? Auf alle Fälle musste es geheim bleiben. Er ging in den eigenen Garten und betrachtete die Hecken, die beide Grundstücke voneinander trennten. Er holte sich aus seinen Schuppen eine Leiter und stellte sie an der Grenze auf. Er stieg hinauf, jedoch musste er auf der anderen Seite auch wieder hinunter. Wie sollte er dies anstellen? „Gunther wo bist du?“, hörte er plötzlich seine Frau rufen. Keine Zeit für unnötige Gedanken. Er sprang hinüber auf die anderen Seite. Ein Knacken in seinem linken Fuß meldete ihm, dass er scheinbar gelandet sei. Humpelnd bewegte er sich auf die gläserne Terrassentür zu. Abgesperrt – verdammt!  Auch die Fenster waren geschlossen. Da hilft nur einschlagen. Wie heißt es denn so schön: Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht. Nun konnte Gunther dem Lied noch Subjekte hinzufügen. Auch der Hände Knochen brechen, aber des Nachbarn Gläser nicht. Was nun? „Gunther?!“, die Stimme seiner Frau wurde lauter. Schnell hinein. Da, ein Gartenzwerg. Kurzerhand wurde dieser zweckentfremdet und als Wurfgeschoss verwendet. Ein lautes „Karach“ später und Gunther stand im Wohnzimmer seiner Nachbarn. Nun geht es an die Plätzchensuche. Er schaute sich um. Verwundert sah er überall ausgetrocknete Blumen. „Die hätten sie auch mal gießen können“, dachte Gunther bei sich. Plötzlich stach ein Funkeln in sein Blickfeld. Da war sie: seine geliebte Keksdose. Langsam öffnete er sie. Ein Duft von Mandeln, Zimt und Lebkuchen kam ihm entgegen. Es war einfach herrlich. Ein wahres Weihnachtswunder. Da erinnerte er sich an die Worte seiner Frau. Eigentlich hat er versprochen die Plätzchen nicht anzurühren. Er stellte sich ihr enttäuschtes Gesicht vor, wenn Brünhilde an Weihnachten das Fehlen des Gebäcks feststellte. Gunther kam ins Grübeln. Sollte er wirklich die Plätzchen essen? Er schaute in die Keksdose und kam zu einem Schluss: „Ach egal!“

15 Minuten später war die Dose leer und Gunther überglücklich. Er schaute sich um und erblickte zertrampelte Blumenbeete, eine eingeworfene Terrassentür und ein Gartenzwerg entspannt auf dem Sofa liegend. Langsam bemerkte er die Schmerzen in seinem Fuß und seiner Hand. Hat sich das alles überhaupt gelohnt? Er fühlte in sich hinein und kam zu einem Schluss: definitiv. Gunther überlegte kurz, ob er nicht eine anonyme Nachricht hinterlassen und sich für das Chaos entschuldigen solle. Einen Stift suchend durchwühlte er seine Jackentaschen. Aber was war denn das? Gunther zog einen Schlüssel hervor. „Ach, da war ja was…“, bemerkte er. Nachdem er den Blumen anstandshalber etwas Wasser gegeben hatte, trat er zur Haustür und entriegelte das Schloss. Beim Verlassen des Hauses dachte Gunther nur noch an eine Sache: „Frohe Weihnachten!“

Na? Lust auf Plätzchen bekommen? Frohe Weihnachten!😉

🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸🎄🍪🎁🧸

Leave a Comment

Comments

No comments yet. Why don’t you start the discussion?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert